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Geschlechtervertretung in den Handelskammern
Am Anfang der Tagesordnung der heutigen Regionalratssitzung standen Beschlüsse zur Zusammenlegung bzw. Angliederung von Gemeinden.
Der Zusammenschluss der Gemeinden Cavareno, Malosco, Romeno, Ronzone und Sarnonico hatte bei einer Volksbefragung nicht die mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung gefunden und wurde demzufolge auch vom Regionalrat abgelehnt.
Wie Regionalassessor Josef Noggler erklärte, habe sich in einer Gemeinde, Malosco, nicht die nötige Mehrheit für einen Zusammenschluss gefunden.
Walter Kaswalder (PATT) bedauerte den Ausgang des Referendums, das in Malosco nur um drei Stimmen die Mehrheit verfehlt habe und damit den eindeutigen Willen von vier anderen Gemeinden zunichte gemacht habe. Er fragte Noggler, ob die Regionalregierung die Absicht habe, das Gesetz zu ändern, damit wenigstens die anderen vier sich zusammenschließen könnten.
Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) kritisierte den Druck zur Fusion, den die Reform gebracht habe. Die Zahl der Trentiner Gemeinden sei nicht das Problem.
Giacomo Bezzi (Forza Italia) meinte hingegen, dass der Wille zum Zusammenschluss, sofern vorhanden, auch dementsprechend gefördert werden müsse. Er sprach sich daher für eine Anpassung des Gesetzes aus.
Auch Ass. Noggler sprach sich für eine Änderung aus, sodass jene Gemeinden, in denen die Bevölkerung sich mehrheitlich dafür ausspreche, dennoch zusammengehen können. Er werde einen entsprechenden Vorschlag vorbereiten.
Der Beschlussvorschlag (Ablehnung der Fusion) wurde mit 44 Ja bei 2 Enthaltungen genehmigt.
Auch für den Zusammenschluss der Gemeinden Brione, Castel Condino, Cimego und Condino gab es keine ausreichende Zustimmung in der Bevölkerung.
Auch hier habe sich die kleinste Gemeinde, Castel Condino, gegen den Zusammenschluss ausgesprochen, berichtete Ass. Noggler, daher müsse der Regionalrat sich auch hier für eine Ablehnung aussprechen.
Der Beschlussvorschlag (Ablehnung der Fusion) wurde mit 39 Ja bei 6 Enthaltungen genehmigt.
Der Regionalrat hatte auch ein Gutachten zur Angliederung der Gemeinde Voltago Agordino (BL) an die Region Trentino-Südtirol abzugeben. Im Vorfeld hatte sich die erste Gesetzgebungskommission mehrheitlich gegen die Angliederung ausgesprochen und dem Plenum ein negatives Gutachten empfohlen.
Alessandro Urzì (gemischte Fraktion) kritisierte die in solchen Fällen angeführten Argumente für oder gegen eine Angliederung. Das Kriterium, ob eine Gemeinde zum historischen Tirol gehört habe, sei nicht mehr zeitgemäß. Die Autonomie sei nicht das alte Tirol, sie habe ihre eigenen Werte und Perspektiven, und allein diese sollten eine Entscheidung beeinflussen. Er kündigte sein Nein zum (negativen) Gutachten an.
Maurizio Fugatti (Lega Nord) sprach sich für eine Angliederung aus, aber aus anderen Gründen als Urzì. Es brauche eine Provokation, um Bewegung in die Diskussion um die Autonomie zu bringen. Es gebe andauern Angriffe des Zentralstaates gegen die Autonomie, der Steueranteil, den wir behalten dürften, sei von 90 auf 80 Prozent gesunken und werde vielleicht auf 70 Prozent sinken. Fugatti kritisierte die Mehrheit, die auf dieses römische Spiel eingehe. Aber man sei immer noch besser dran als Regionen ohne Sonderstatut. Der Staat hole sich das Geld dort, wo er es finde, hauptsächlich im Norden. Mit einer Angliederung von Gemeinden könne man dem Staat ein Signal senden, dass Gemeinden vor ihm flüchten, weil ihnen Rom andauernd die Mittel kürze.
Auch Filippo Degasperi (5 Sterne Bewegung) sprach sich für eine Angliederung aus. Die Argumente dagegen seien nicht stichhaltig. Die ständige Ablehnung führe nur zu mehr Neid und zu Angriffen auf die Autonomie. Auch die Regierung unternehme ständig Versuche, die Autonomie auszuhöhlen, die Zuständigkeiten der anderen Regionen würden bereits mit der Verfassungsreform zusammengestrichen, unter Mithilfe der Parlamentarier aus unserer Region. Als Gegenmaßnahme sollte man den Willen anderer nach Autonomie unterstützen.
Lorenzo Baratter (PATT) zeigte Verständnis für den Wunsch der Nachbargemeinden, die in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation seien. Seine Partei sei aber gegen eine Angliederung von Gemeinden, die keine historische Beziehung zu uns hätten. Die Solidarität mit jenen Gemeinden könne nicht über eine Angliederung erfolgen, der Weg sei die Autonomie auch für andere Gebiete. Urzì habe sich gegen einen Bezug auf Alttirol gewandt, aber dies sei eine Region mit 1,7 Mio. Menschen, die gemeinsame Vergangenheit, Perspektiven und Interessen hätten.
In diesem Fall sei eine Angliederung abzulehnen, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion - Team Autonomie), es handle sich um "Wirtschaftsflüchtlinge". Es könne nicht sein, dass sich Gemeinden noch schnell der Autonomie angliederten, um der zentralistischsten Verfassungsreform der Nachkriegszeit zu entgehen. Im neuen Art. 117 der Verfassung, wo es um die Zuständigkeiten gehe, werde eine Oberhoheit des Staates eingeführt, der zu jeder Zeit in die regionale Gesetzgebung eingreifen könne. Dies werde von der SVP verschwiegen. In Zukunft werde sich das Verfassungsgericht bei Kompetenzstreitigkeiten nach diesem Grundsatz richten, und das bereits bevor er formell in Kraft trete.
Regionalpräsident Ugo Rossi sprach sich gegen eine Angliederung aus. Die Autonomie beziehe sich auf ein bestimmtes Territorium, eine Änderung könne man nur bei jenen Gemeinden zulassen, wenn sie einst zum historischen Tirol gehört hätten. Natürlich hätten Gemeinden, speziell in Berggebieten, das Recht, nach mehr Autonomie zu streben; dies wolle man auch unterstützen. Laut Verfassung könnten sich auch Regionen mit Normalstatut um die Übertragung von mehr Zuständigkeiten bemühen.
Nichts halte ewig, auch nicht die Nationalstaaten, meinte Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit). Er frage sich, wohin das führen solle, wenn andauernd Gemeinden Region wechseln wollten. Seine Fraktion würde nur bei Gemeinden zustimmen, die dem historischen Tirol angehört hätten. Der Hauptgrund für die Flucht in die Autonomie sei die zentralistische Tendenz in Italien, auch der Regierung Renzi.
Der Regionalrat sprach sich schließlich mit 46 Ja, 6 Nein bei 3 Enthaltungen gegen eine Angliederung von Voltago Agordino aus.
Anschließend wurden zwei Gesetzentwürfe zur ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in den Gremien der Handelskammern behandelt. Der Gesetzentwurf Nr. 19, eingebracht von den Abg. Maestri, Ferrari, Borgonovo Re, Manica, Civico und Zeni, sieht die Vertretung beider Geschlechter in Kammerrat und Kammerausschuss vor. Laut Gesetzentwurf Nr. 20, eingebracht von den Abg. Bottamedi und Avanzo sollen beide Geschlechter gleichermaßen vertreten sein.
Manuela Bottamedi (PATT) wies darauf hin, dass der Vorschlag nicht mir den Frauenquoten in der Politik zu verwechseln sei. Die Frauen hätten in der Wirtschaft bereits Fuß gefasst, und dies sei auch in den Wirtschaftsgremien zu berücksichtigen.
Bei einem Wirtschaftskongress der Frauen seien die Spitzen aller Wirtschaftsverbände und -organe eingeladen worden, und es seien nur Männer gekommen, berichtete Brigitte Foppa (Grüne). Frauen stünden in vielen Betrieben an der Spitze, in den Verbänden und Einrichtungen der Wirtschaft gehe dieser Aspekt aber verloren. Die beiden Gesetzentwürfe seien nicht so sehr eine Maßnahme zugunsten der Frauen, sondern der Wirtschaft.
Lucia Maestri (PD) betonte, dass man die anerkannten Fähigkeiten der Unternehmerinnen in die Wirtschaftsgremien einbringen wolle. Sie verwies auf einen Änderungsantrag der SVP, der eine Verbesserung bringe. Das Fehlen von Frauen in den Gremien der Handelskammer sei eine Anomalie. Der Frauenanteil bei den Unternehmern liege in unserer Region bei 17 Prozent, in anderen Regionen sei er noch höher. Dem werde bei der Zusammensetzung von Kammerrat und Kammerausschuss nicht Rechnung getragen.
Das Anliegen sei grundsätzlich berechtigt, erklärte Andreas Pöder (BU), gerade in einer Handelskammer, die ja eine öffentliche Funktion habe. Er sprach sich aber gegen die Abänderungsanträge der Mehrheit, die detaillierte Regelungen einführen wollten, z.B. die Drittelquote. Man sollte beim Text bleiben, auf den sich die Kommission geeinigt habe: demnach müsse die Satzung der Handelskammer so angepasst werden, damit eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter gewährleistet sei. Der SVP-Antrag, wonach die Verbände bereits bei den Kandidaturen eine Quote einhalten müssten, mache die Sache kompliziert. Das Gesetz solle den Grundsatz festlegen, die Handelskammer die Details.
Claudio Civettini (Amministrare e Civica Trentina) meinte, man könne Prinzipien vorgeben, müsse aber auch die Autonomie der Handelskammern respektieren. Er kritisierte, dass solche Einrichtungen oft als Depot für durchgefallene politische Kandidaten missbraucht würden. Bei den Handelskammern gehe es weniger um eine Vertretung, sondern darum, dass auch Unternehmerinnen die nötigen Dienste bekämen. Quoten hätten wenig Sinn, wenn nicht auch die Posten geschlechtergerecht seien. So finde man kaum Kandidatinnen für die Gemeindewahlen, weil Frauen nicht immer jemanden finden würden, der ihnen während der Gemeinderatsitzung die Betreuung der Kinder abnimmt.
Rodolfo Borga (ACT) fand das Thema abgedroschen. Für die Besetzung der Handelskammergremien seien andere Kriterien wichtiger, etwa die Fähigkeiten oder der Wille, sich zu engagieren. In vielen wichtigen Berufen seien die Frauen bereits in der Mehrzahl, ohne dass es dazu Quoten gebraucht habe. Borga kritisierte das Spiel der Mehrheit, den Gesetzentwurf durch Änderungsanträge umzukrempeln. Damit würden die Wirtschaftsverbände verpflichtet, ihre Vertreter in der Handelskammer nach dem Geschlechterprinzip auszuwählen. Dies sei ein Eingriff in die Entscheidungen privater Verbände. Mit dem ursprünglichen Entwurf könnte er sich hingegen eventuell anfreunden.
Die Debatte wird am Nachmittag fortgesetzt.