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Debatte zur Frauenquote in den Gemeinden
Zu Beginn der Sitzung wurde Donata Borgonovo Re anstelle von Luca Zeni zum Mitglied der ersten Gesetzgebungskommission gewählt. Ebenso wurde auf Antrag von Dieter Steger der Gesetzentwurf Nr. 54 zum Gemeindewahlrecht auf der Tagesordnung vorgezogen.
Gesetzentwurf Nr. 54: Änderungen zum Regionalgesetz Nr. 1 vom 5. Februar 2013 mit seinen späteren Änderungen auf dem Sachgebiet der Gleichberechtigung beim Zugang zum Gemeindeausschuss (eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Borga, Cia und Civettini). Ziel des Entwurfs ist eine Vertretung beider Geschlechter in den Gemeindeausschüssen proportional zu ihrer Vertretung im Gemeinderat, wobei aber nicht mehr eine absolute Aufrundung (z.B. von 1,1 auf 2) angewendet werden soll, sondern erst bei Dezimalstellen über 50. Dieses Gesetz soll laut Entwurf auch auf die Gemeindeausschüsse angewendet wurden, die nach den Wahlen vom 10. Mai 2015 gebildet wurden.
Rodolfo Borga (Amministrare e Civica Trentina) wies auf die Probleme hin, die das geltende Gesetz geschaffen habe. Ursache sei vor allem der ideologische Zugang des PD zum Thema Gleichberechtigung. Borga sprach sich gegen einen Änderungsantrag von Teilen der Mehrheit aus, die die derzeitige Zusammensetzung der Gemeindeausschüsse retten wolle. Wenn man der Meinung sei, dass die derzeitige Regelung falsch sei, müsse man die neue Regelung auf alle anwenden. Wenn dieser Änderungsantrag nicht falle, werde er auf die Behandlung seiner über 150 Änderungsanträge bestehen. Dann könne man gleich bei der bestehenden Regelung bleiben.
Walter Blaas (Freiheitliche) dankte Borga für den Entwurf, bedauerte aber, dass er nun zu einer Sanierung der Probleme von Kurtinig und Glurns umfunktioniert werden solle. Das Problem sei die Quote selbst. Seine Fraktion sei kategorisch gegen die Quote, der Entwurf von Borga bringe aber eine Verbesserung. Wenn die SVP dies nun verwässern wolle, dann traue sie ihren Gemeinderäten nichts zu. Daher werde man nicht für diesen Entwurf stimmen.
Diese Situation sei entstanden, weil man die freie Wahl einschränken wollte, stellte Andreas Pöder (BürgerUnion-Team Autonomie) fest, der sich prinzipiell gegen Geschlechterquoten aussprach. In seiner Heimatgemeinde seien die meistgewählten Räte wegen dieser Quote nicht in den Ausschuss aufgenommen worden. Das vergraule den Wählern die Wahl, das vermehre die Politikverdrossenheit. Deutlich sprach sich Pöder gegen den Änderungsantrag der SVP aus, die Angst davor habe, dass nun viele Ausschüsse wieder aufgrund der neuen Quotenberechnung umgebildet würden. Wenn die Gemeinden dies wollten, wenn sie die Anwendung einer unsinnigen Regel wieder rückgängig machen wollten, dann hätten sie ein Recht dazu.
Donata Borgonovo Re (PD) wies darauf hin, dass Einschränkungen des Wählerwillens bereits seit 1990 gebe, z.B. durch die Direktwahl des Bürgermeisters und das Mehrheitswahlrecht. Die Geschlechterquote sei im Vergleich dazu nur ein geringfügiger Eingriff. Bevor man über die Zusammensetzung des Gemeindeausschusses rede, müsste man über die Zusammensetzung des Gemeinderats reden. Andere Länder seien hier weit fortschrittlicher und hätten Regeln aufgestellt, damit die Volksvertretungen die Zusammensetzung der Gesellschaft besser widerspiegelten.
Pius Leitner (F) sprach sich deutlich gegen die Quote aus, zumal bei den Vorzugsstimmen. Dies sei eine Missachtung des Wählerwillens. Dasselbe gelte für die 40-Prozent-Hürde bei den Parlamentswahlen oder für den Mehrheitsbonus. Mit der Einführung des Frauenwahlrechts hätten die Frauen die gleichen Chancen, ob sie sie nutzten, sei eine andere Frage.
Er frage sich, warum eine Frau mehr wert sein sollte als andere Mitglieder der Gesellschaft, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit). Es gebe verschiedenste Gesellschaftsgruppen, die in den politischen Gremien unterrepräsentiert seien, etwa die Jugend. Wenn man das Prinzip der Quote akzeptiere, müssten im Südtiroler Landtag mehr Italiener sitzen. Ebenso müsste man dann den Einwanderern eine Quote zugestehen, sobald sie die Staatsbürgerschaft erworben hätten. Mit Quoten würden sich die Parteien das Wahlergebnis so einrichten, wie sie es gerne hätten.
Wenn jemand unterstelle, dass Frauen nur wegen der Quote gewählt würden, dann sollten sich auch die Männer der Frage stellen, warum sie gewählt wurden, meinte Brigitte Foppa (Grüne): Weil sie Männer seien.
In seiner Gemeinde, Vigolo Vattaro, gebe es schon lange eine starke Frauenpräsenz, weil es dort starke, aktive Frauen gebe, berichtete Walter Kaswalder (PATT). Der PD hätte bei den Gemeindewahlen mehr Frauen ins Rennen schicken sollen, er sollte nun ehrlich sein und nicht den Eintritt über die Hintertür suchen.
Claudio Civettini (ACT) kritisierte das Vorgehen des PD. Anstatt sich mit Quoten zu beschäftigen, sollte man mehr an die Situation der Frauen in der Gesellschaft denken, an die Gründe, die sie von einer Kandidatur abhielten, Ideologie sei hier nicht nützlich. Reservate seien kontraproduktiv, zählen müssten die Fähigkeiten.
Maria Hochgruber Kuenzer (SVP) betonte, dass es in diesem Gesetzentwurf nur um die Angleichung der Dezimalstellen gehe. Es sei bekannt, dass die Frauen noch etwas Unterstützung bräuchten. Sie erinnerte an die Diskussion um die Quote in den Höfekommissionen; diese habe sich dann als erfolgreich erwiesen. Von daher verstehe sie nicht, warum so viel Energie aufgewendet werde, um eine Quote zu verhindern. In Politik und Kirche gebe es für Frauen noch Nachholbedarf. Die Kirche könnte heute ohne Frauen nicht mehr bestehen, und daher würden sie mehr akzeptiert. In der Politik brauche es noch Türenöffner.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) bedauerte, dass die heutige Debatte zu einem Turnier zwischen Frauen und Männern geworden sei. Er wolle die Front durchbrechen und sich auf die Seite der Frauen stellen. Heute gehe es aber nur darum, eine Maßnahme zu korrigieren, die zuviel des Guten war. Zur Quote im Allgemeinen meinte er, sie sei ein vorläufiges und notwendiges Korrektiv. Auch der Proporz sei eine Quote. Dieser sei ein Korrektiv nach 20 Jahren Unrecht, die Frauenquote sei ein Korrektiv zu 2500 Jahren Unrecht, er wundere sich also, wie man dagegen sein könne. Er stimmte Civettini zu, dass die Zeiten der Politik nicht frauengerecht seien, aber auch ihre Methoden seien es nicht.
Alessandro Urzì (gemischte Fraktion) erinnerte an den glorreichen Kampf der Grünen bzw. Alternativen gegen die ethnischen Käfige. Dies passe nicht zu dem, was Dello Sbarba heute gesagt habe. Auch die Quoten seien Käfige, in diesem Fall für Frauen. Frauen würden es auch ohne Quote schaffen, es gebe genug Beispiele dafür. Mit den Quoten würde die Attraktivität der Politik erlöschen.
Claudio Cia (ACT) verteidigte den von ihm mitunterzeichneten Entwurf, der eine Anomalie korrigieren wolle, und sprach sich gegen eine Einschränkung seiner Wirkung aus. Gleichzeitig sprach er sich auch gegen Versuche aus, den Wählern vorzuschreiben, was sie wählen sollten. Es sei hingegen Aufgabe der Parteien, genügend Kandidatinnen zu finden.
Die Debatte wird am Nachmittag fortgesetzt.