Pressemitteilungen
Zwei-Drittel-Quote für Gemeindewahlen in Südtirol
Am Vormittag wurde die Debatte zum Gesetzentwurf Nr. 19: Gleichberechtigung von Frauen und Männern beim Zugang zu Wahlämtern (eingebracht von den Abg. Foppa, Dello Sbarba und Staffler) wieder aufgenommen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass auf Kandidatenlisten für die Gemeindewahlen in Südtirol kein Geschlecht zu mehr als zwei Dritteln vertreten sein darf, auch wenn die Liste kürzer ist als es die Wahlordnung ermöglicht. Mit dem derzeit geltenden Gesetz könne das Prinzip durch Kürzung der Liste ausgehebelt werden, hatte Erstunterzeichner Brigitte Foppa (Grüne) dazu erklärt.
Alessio Manica (PD) bedauerte, dass diese Bestimmung nicht auch im Trentino eingeführt wird. Wenn es um solche Fragen gehe, werde immer auf “Wichtigeres” verwiesen oder auf später vertröstet.
Walter Kaswalder (Autonomisti Popolari - Fassa) meinte, dass es manchmal wirklich schwer sei, genug Frauen zu finden.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich gegen die Quote aus, diese sei keine Wertschätzung für die Frauen. So würden die Frauen durch die Quote in die Politik kommen anstatt aufgrund ihrer Fähigkeiten. Sie werde nicht für dieses Gesetz stimmen.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) erinnerte Atz Tammerle daran, dass auch der Proporz eine Quote sei. Keine Frau sei zur Kandidatur gezwungen, es sei immer eine freie Entscheidung. Sie zeigte sich verwundert, dass diese Regelung nicht auch im Trentino eingeführt werde. Frauen müssten die Möglichkeit erhalten, zu zeigen, was sie können.
Magdalena Amhof (SVP) erinnerte daran, dass es diese Regelung bereits gebe, und zwar bei den Landtagswahlen in Südtirol. Die Quote sei ein wichtiges Mittel, damit mehr Frauen in den Gremien vertreten seien, damit die Politik ein Spiegelbild der Gesellschaft werde. Den Wählern werde mit der Quote nicht vorgeschrieben, wen sie zu wählen hätten. Es sei auch in ihrer Partei ein langer Weg gewesen, bis man eine Einigung zu diesem Thema gefunden habe.
Es sei in den vergangenen Jahren sehr schwierig gewesen, Bürgermeister- und Gemeinderatskandidaten zu finden, berichtete Franz Locher (SVP). Nur wenige würden sich zur Verfügung stellen, es sei ein aufwändiges und unterbezahltes Amt. Es sei gut, Männer und Frauen auf der Liste zu haben, aber die Quote mache es schwer, die Liste zu füllen. Locher wies auch darauf hin, dass der Gemeindenverband ein negatives Gutachten zum Entwurf abgegeben habe.
Alex Marini (Movimento 5 Stelle) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an. Die Frauen müssten gleichberechtigten Zugang zur Politik haben. Laut einer Studie werde man im Trentino die volle Parität erst in 130 Jahren erreichen. Marini kritisierte, dass man hier wieder unterschiedliche Bestimmungen für die beiden Provinzen schaffe.
Alessandro Savoi (Lega) kritisierte den Entwurf: "Es ist seit Jahren das Gleiche: Frauen, Gleichstellung, Listen. Es ist absurd, auf einem Zwang zu bestehen. Freiheit hat keinen Preis, die Menschen müssen wählen können. In der Provinz Trient gibt es bereits ein Wahlgesetz, das eine Hälfte Männer und eine Hälfte Frauen vorsieht. In vielen Gemeinden des Trentino gibt es nur ein einziges Verzeichnis, das vielleicht mit viel Mühe zusammengestellt wurde.”
Paolo Zanella (Verdi) bemängelte, dass das Gesetz nur für Südtirol gelten solle. Es gebe eine große kulturelle Kluft zu überbrücken, und für ihn könnte die Lösung in der doppelten Geschlechterpräferenz liegen. Frauen beteiligten sich in der Tat nicht an der Politik, man lebe in einem patriarchalischen Land.
Die Regionalregierung wolle sich nicht in die ideologische Frage der Gleichstellung einmischen, erklärte Ass. Lorenzo Ossanna. Aber nach langer Zeit und einem verschlungenen Weg habe man einen Konsens gefunden. Er wies auf das Problem der Größe der Gemeinden im Trentino hin, das Risiko, keine Listen aufstellen zu können, das dringende Problem des Mangels an Personen, die bereit sind, zu kandidieren. Er glaube nicht, dass dieses Gesetz als ein Verlust an Wertschätzung für Frauen verstanden werde, das Gegenteil sei der Fall.
Brigitte Foppa (Grüne) freute sich über die parteiübergreifende Zusammenarbeit zu diesem Gesetz und dankte dafür Magdalena Amhof. Wenn man sich bemühe, werde man genug Frauen für eine Kandidatur finden. Natürlich sei es nicht immer leicht. Foppa ging auch auf die Bestimmung zum Nachnamen ein: Viele Frauen seien unter dem Namen ihres Gatten bekannt. Da sollten die Frauen frei wählen können.
Anschließend wurde der Übergang zur Artikeldebatte beschlossen.
Art. 1 regelt die Gleichberechtigung beim Zugang zu Wahlämtern.
Ein Änderungsantrag von Paolo Zanella u.a., der die Regelung auch im Trentino einführen wollte, wurde abgelehnt.
Angenommen wurde ein Ersetzungsantrag von Grünen und SVP, der das Zwei-Drittel-Prinzip auch für kürzere Kandidatenlisten einführt.
Art. 2 betrifft die Aufgaben der Bezirkswahlkommission und wurde durch einen Änderungsantrag von Grünen und SVP ersetzt.
Ein Antrag von Sara Ferrari zum Genderprinzip auch bei den Vorzugsstimmen wurde abgelehnt, ebenso ein ähnlicher Antrag von Sandro Repetto.
Art. 3 zum Inkrafttreten wurde ohne Debatte genehmigt.
Der Gesetzentwurf wurde mit 27 Ja, 12 Nein und 4 Enthaltungen genehmigt.
Gesetzentwurf Nr. 17 (Ersetzungsantrag von Köllensperger u.a.): Bestimmungen auf dem Sachgebiet der Zusammensetzung und Wahl der Gemeindeorgane – Änderungen zum Regionalgesetz Nr. 2 vom 3. Mai 2018 betreffend „Kodex der örtlichen Körperschaften der Autonomen Region Trentino-Südtirol“ (eingebracht von den Abg. Köllensperger, Rieder, Faistnauer, Alex Ploner, Franz Ploner und Unterholzner). Dieser Gesetzentwurf will das Panaschieren ermöglichen, die Vergabe von Vorzugsstimmen über mehrere Listen. Erstunterzeichner Paul Köllensperger (Team K) plädierte auch dafür, die Online-Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen und die Briefwahl zu ermöglichen.
Es handle sich zum einen um technische Anpassungen, die längst fällig seien, zum anderen um sinnvolle Neuerungen, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne), der sie auch als Mittel sah, der sinkenden Wahlbeteiligung entgegenzuwirken. Die Briefwahl sei hilfreich für jene, für die der Weg zum Wahllokal aus Arbeits- oder Altersgründen umständlich sei.
Brigitte Foppa (Grüne) plädierte für das Panaschieren, das es auch anderswo gebe, z.B. in Sachsen. Sie sei überzeugt, dass das auch hierzulande bei der Bevölkerung erwünscht sei.
Alessandro Savoi (Lega Salvini Trentino) sprach sich gegen den Gesetzentwurf aus. Es sei wenig sinnvoll, wenn ein Lega-Wähler auch eine Stimme für den PD vergebe, weil er mit einem Kandidaten befreundet sei. Die Wahl sei frei, aber der Unterschied zwischen Mehrheit und Opposition müsse gewahrt bleiben.
Mirko Bisesti (Lega) erinnerte daran, dass in Italien 170 Senatoren und Abgeordnete bereits Partei gewechselt haben. Man wolle nicht Regelungen einführen, die das noch befeuern.
Alex Marini (Movimento 5 Stelle) sah das Panaschieren hingegen als Chance. So könne man jemanden wählen, den man in der Regierung sehen wolle, und gleichzeitig jemanden, der ihn von der Opposition aus kontrolliert. Auf Gemeindeebene gebe es viele Bürgerlisten, und diese seien meist nicht ideologisch geprägt. Bedenken äußerte Marini zur telematischen Teilnahme an den Gemeinderatssitzungen, so sei eine geheime Abstimmung schwer möglich. Er sprach sich hingegen für die Briefwahl aus, eine Erleichterung für viele, die aus Arbeitsgründen weit weg seien.
Die Mehrheit sehe dies als Versuch der Opposition, die größeren Parteien auszuhebeln, mutmaßte Hanspeter Staffler (Grüne). In Wirklichkeit wolle man damit auf die neuen Gegebenheiten eingehen. Die traditionellen Parteistrukturen seien veraltet. Die Parteien nähmen bereits heute je nach Wahl andere Funktionen ein, z.B. in einem Bündnis bei den Parlamentswahlen oder in einem Konglomerat auf europäischer Ebene. Auf Gemeindeebene hätten sie kaum eine Bedeutung, denn dort gehe es um Menschen.
Damit war die heutige Sitzung beendet. Der Regionalrat tritt im November wieder zusammen.