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Die Debatte zu Kompatschers Regierungserklärung
Für den Nachmittag stand die Wahl des Präsidenten der Region an. Harald Stauder schlug im Namen der SVP Arno Kompatscher für dieses Amt vor.
Arno Kompatscher (SVP) ging in seiner programmatischen Erklärung auf die Geschichte der Autonomie ein. Durch die ständig sich ändernden Rahmenbedingungen werde auch eine Anpassung und Weiterentwicklung der Autonomie nötig. Dazu habe man im Herbst zusammen mit anderen autonomen Regionen der römischen Regierung einen Forderungskatalog überreicht. Ziel sei eine Regelung, die die bestmögliche Entwicklung der Region und der beiden Provinzen erlaube. Man dürfe aber nicht außer Betracht lassen, dass die Autonomie zum Zwecke des Minderheitenschutzes eingerichtet wurde. Gleichzeitig sei sie zum Vorteil aller Sprachgruppen da. Mit den Rahmenbedingungen, die die Autonomie biete, könne man auch besser auf Krisensituationen reagieren. Kompatscher hob in diesem Rahmen auch die Bedeutung der Europaregion hervor, die eine grenzüberschreitende, gemeinsame Lösung von anstehenden Fragen ermögliche. Neben der Weiterentwicklung der Autonomie nannte Kompatscher auch noch weitere Ziele der Regionalregierung in dieser Legislaturperiode in folgenden Bereichen: Gemeindeordnung (Personalsuche, Vereinfachung), Fürsorge und Vorsorge (Maßnahmen gegen Beitragslücken), Justiz (Aufbau des Verwaltungsapparats), Verwaltungsorganisation (Rolle der Region als Plattform für den Austausch zwischen den beiden Provinzen), europäische Integration und Minderheiten (Rationalisierung und Vereinfachung der Unterstützungsmaßnahmen), kulturelle und historische Werte sowie Verkehr (Aufbau eine “green corridor” über Straße und Schiene).
Kompatscher teilte schließlich mit, dass sich die Regierungsmehrheit auf eine Regierung mit 6 Mitgliedern geeinigt habe, 3 aus Südtirol, 3 aus dem Trentino: neben ihm noch Giulia Zanotelli als erste Stellvertreterin, Franz Locher als 2. Stellvertreter, sodann Carlo Daldoss, Angelo Gennaccaro und Luca Guglielmi. Er selbst werde zur Halbzeit aus der Regionalregierung zurücktreten, während Maurizio Fugatti die Präsidentschaft übernehmen werde, unterstützt von einer Stellvertreterin aus Südtirol.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sah in Kompatschers Erklärung eine Lobeshymne auf die Region, die eine Vergeudung von Steuergeld sei. Man wolle sie sogar aufwerten. Es sei gänzlich verfehlt, von einem historischen oder kulturellen Erbe der Region zu sprechen. Kompatscher lobe Schengen, habe aber während Corona die Grenzen gesperrt. Von einer gemeinsamen Transitpolitik könne man auch nicht sprechen, wenn Italien die Aufhebung der Tiroler Fahrverbote fordere. Viele der genannten Zuständigkeitsbereiche der Region wären bei den beiden Ländern besser aufgehoben. Es sei übrigens Hitler gewesen, der Südtirol als Brücke zwischen den beiden Kulturräumen bezeichnet habe. Knoll erinnerte an seinen Antrag zur Abschaffung der Region. Diese könne die nötige Zusammenarbeit zwischen den Provinzen nicht fördern. Eine Chance sehe er mehr in der Europaregion.
Kompatscher habe in seiner Regierungserklärung dasselbe gesagt wie vor fünf und zehn Jahren, kritisierte Filippo Degasperi (gemischte Fraktion), und das bei wechselnden Mehrheiten. Von den damaligen Programmpunkten sei kaum etwas umgesetzt worden. Der Verkehr sei nicht auf die Schiene verlagert worden, bestimmte Investitionslinien von Pensplan würden bis zu 25 Prozent verlieren, auch bei der Verwaltung der Justiz zeigten sich kaum Fortschritte, man bekenne sich stets zur europäischen Integration, mache aber Ausnahmen, wenn es konkret werde: Landwirtschaft, Vergabewesen u.a.m. Um die Europaregion aufzubauen, sei es nicht notwendig, die Region zu zerschlagen. In der Region könne man zeigen, dass man zur Zusammenarbeit fähig sei. Stattdessen trete die Region auf der Stelle, und es sei gefährlich, sie zusammen mit der rechten Regierung zu reformieren.
Sandro Repetto (PD) sah in der Regierungserklärung durchaus einige Neuigkeiten, vermisste aber eine Einbindung aller bei der Weiterentwicklung der Autonomie. Innerhalb der Europaregion gäbe es viel Potenzial zur Zusammenarbeit, bei Forschung, Verkehr, Gesundheitswesen usw. Bei der Region herrsche vielfach Stillstand, seit 15 Jahren warte man auf den neuen Justizpalast in Bozen, im Kulturbereich, der sich vor allem auf das Haydn-Orchester beschränke, könnte man weit mehr tun. Mit der heute vorgeschlagenen Regierungsformel sei die bisherige Stabsübergabe zur Halbzeit vorbei.
Brigitte Foppa (Grüne) kritisierte die Wortwahl in Sven Knolls Rede, aber auch die Regierungserklärung Kompatschers, die Bekanntes wiederhole. Es gäbe vieles, was man gemeinsam tun könnte, angefangen bei Verkehr und Klima. Ihr sei aufgefallen, wie Ministerpräsidentin Meloni stets die Autonomie in einen Zusammenhang mit der “Nation”, nicht mit dem “Staat” gestellt habe - und mit solchen Leuten wolle man die Autonomie ausbauen. Im Vorfeld der Regierungsbildung seien alle möglichen Kriterien als wichtig erachtet worden, aber nicht eine Vertretung der Frauen, kritisierte Foppe. Sie finde den nun vorgeschlagenen Lösungsweg in Ordnung, man habe dazugelernt.
Maria Elisabeth Rieder (Team K) unterstrich die Bedeutung der regionalen Zusatzvorsorge, die vor allem für die Frauen wichtig sei. Insofern bräuchte es noch mehr Frauen in der Regierung. Nach fünf Monaten, die es bis zur Bildung der Regionalregierung gebraucht habe, seien die Frauen nur im letzten Moment und nur knapp berücksichtigt worden. Laut dem Südtiroler Gleichstellungsplan - für den Kompatscher der zuständige Landesrat sei - sollten Frauen gleichberechtigt auch in den politischen Gremien vertreten sein. Sie kritisierte auch die SVP-Landesrätinnen, die sich zierten, auch eine Arbeit in der Regionalregierung zu übernehmen.
Chiara Maule (Campobase) bezeichnete die ganze Angelegenheit im Zusammenhang mit der Bildung der Regierung frustrierend und entmutigend. Die heute gefundene Lösung sei genauso kreativ wie schädlich.
Walter Kaswalder (Patt Fassa) betonte die Bedeutung der Region, "eine besondere Intuition, die wir Alcide Degasperi verdanken. Wenn von der Überwindung der Region die Rede ist, werden die vielen guten Gründe für das Zusammensein nicht berücksichtigt.” Die Region sei der Rahmen für die Autonomie, und es gebe viele Probleme und Aufgaben, die man gemeinsam habe. Auch im Rahmen der Euregio könne man vieles voranbringen.
Andrea de Bertolini (PD) kritisierte wie andere den Werdegang dieser Regierung. Immer sei darauf zu achten gewesen, dass man nicht aus dem fragilen Gleichgewicht falle. Vor allem Unzulänglichkeiten im Trentino hätten dazu geführt, dass man von der gewohnten Staffel abgekommen sei. Die Bemühungen um die Festigung und Ausweitung der Autonomie seien nachvollziehbar, aber er sehe auch Gefahren bei dieser Mehrheit, bei dieser “unnatürlichen Koalition” zwischen SVP und Fratelli d’Italia. Er bezweifle, dass diese Konstellation zu mehr Zusammenarbeit führen werde.
Waltraud Deeg (SVP), bisher “die Frau in der Regionalregierung”, dankte den Präsidenten Fugatti und Kompatscher für die Jahre der guten Zusammenarbeit. Sie dankte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit denen sie in jener schwierigen Legislatur zusammenarbeiten konnte, es sei auch ihnen gegenüber nicht korrekt, die Region schlechtzureden. Bezüglich Frauenvertretung habe der Regionalrat bisher keine gute Figur gemacht.
Eleonora Angeli (Noi Trentino per Fugatti presidente) äußerte Bedenken zur Entwicklung der Autonomie, auch im Zusammenhang mit zwei nationalen Parteien in der Regierung. Diese Autonomie habe ihre Grundlage im Minderheitenschutz. Nur eine gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Provinzen werde eine Lösung der anstehenden Probleme ermöglichen, Probleme wie den Transitverkehr über den Brenner. In diesem Saal gebe es genug engagierte Frauen, und man müsse alles unternehmen, um Chancengleichheit auf allen Ebenen zu erreichen.
Zeno Oberkofler (Grüne) sah es als traurig und unannehmbar, dass in der Regierung nur eine Frau sitzen solle. Die Grünen hätten zusammen mit anderen einen Gesetzentwurf für eine gerechtere Geschlechtervertretung eingereicht. Es gebe viele Probleme, die Bozen und Trient gemeinsam angehen könnten, darunter die Situation der Gefängnisse in der Region, ein Thema, das er in der Regierungserklärung vermisse.
Bernhard Zimmerhofer (STF) beantragte eine Unterbrechung für eine Sitzung der Fraktionsvorsitzenden über den Fortgang der Arbeiten. Diese beschloss, die Arbeiten bis zu Punkt 6 der Tagesordnung (Wahl der Regionalregierung) fortzusetzen.
Pressematerial
Videoaufnahmen von der Nachmittagssitzung: https://we.tl/t-TFHxSrxrWC